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Sonntag, 17. September 2017

Nationalratswahl in Österreich am 15. Oktober 2017

Die 26. Nationalratswahl am 15. Oktober wird wie Kirschenessen:

Zuallererst muss ich darauf achten, dass ich nicht zu kurz komme.
Von den blauen und grünen bekomme ich garantiert Bauchweh.
Und die Kerne werden ausgespuckt.

Die Alternative? Für mich ein Pilzgericht!
Diesmal kandiere ich selbst. Hier ist der Link:

https://listepilz.at/david-weiss/

Ich bedanke mich für das Hingehen und Kreuzerl machen. Auch, wenn es nicht für mich ist.
Schöner wäre es. Also: Falls für mich, doppelten Dank und große Freude!
Alles Liebe!

Ein Ösi in Connecticut (Teil 15)



Teil 15: Mind Shaking Mindf***ing


Make US smart again! PLEASE!
Die mächtigsten Stürme und Waldbrände, die jemals aufgezeichnet worden sind, haben eine Spur der Verwüstung durch den Süden und den pazifischen Nordwesten der USA gezogen. Sie haben Tausende ins Elend gestürzt, Träume zerfetzt und Lebenswerke fortgespült als wären sie auf Sand gebaut gewesen. Ich bin oft besorgt gefragt worden, ob wir in New Haven Ausläufer zu spüren bekommen haben. Nein, das alles hat tausende Kilometer von Connecticut entfernt stattgefunden, die USA sind, wie schon oft gesagt, riesig. Für uns war die tatsächliche Erfahrung so, also ob in Algerien ein Wüstensturm stattgefunden hätte, und wir in Wien gewesen wären. Gefühlt waren wir natürlich viel näher dran. Die Nachrichten und The Weather Channel hatten viel zu berichten, das Wetter war außer Rand und Band. Harvey, Irma und die Wildfires haben so manches Hirn aufgemischt. Aber oft nicht so, wie ich es erwartet hätte.
Man muss kein Zyniker sein, um zu sagen: Es hat eine Reihe von Naturkatastrophen gebraucht, um die US-amerikanische Regierung zum Funktionieren zu bewegen, das heißt: Den US-Präsidenten einen Deal mit den Demokraten schließen zu lassen. Zugunsten der Bevölkerung und zum Schrecken der Republikaner, aber vor allem zum Entsetzen seiner Wähler. Bei denen hat sich zwischen den Ohren nur eines von A nach B bewegt, sie wollen ihren Präsidenten plötzlich auch abgesetzt sehen. Jetzt wollen sogar einige führende Republikaner den Geisteszustand des Präsidenten untersucht sehen. Und in dieser Situation fällt es mir fast unmöglich zu glauben, dass es in der einst fortschrittlichsten Demokratie der Welt schwieriger sein sollte, den Präsidenten abzusetzen, als den Papst der römisch-katholischen Kirche. Um einen Pontifex abzusetzen bedarf es laut kanonischem, d.h. kirchlichem Recht zweier Gründe: papa idioticus oder papa haereticus. Die beiden Rechtsfiguren beschreiben einen Papst, der im ersten Fall durch völlige Behinderung oder bewiesene Unzurechnungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, sein Amt auszuführen, oder im zweiten Fall zum Irrlehrer geworden ist. Vor der Unfehlbarkeit (Infallibilitätsdogma 1870) war es für die Synode noch viel einfacher, einen solchen Papst demokratisch aus dem Amt zu befördern (vor allem im zweiten Fall). Einen Papst hat man sogar zum Ketzer verurteilt und verdammt, allerdings nachdem er bereits tot war. Die Leiche von Honorius I. landete im Tiber. Theoretisch ist es möglich, das Oberhaupt der letzten absoluten Monarchie in Europa sowie einer Weltreligion abzusetzen, auch wenn der Münsterische Kommentar da anderer Meinung ist. Dieser Kommentar beruft sich in seiner Argumentation allerdings alleine auf Gott und den Glauben, nicht auf Gesetz und Medizin. Das macht die Beweiskette nach heutigen Standards etwas dünn. Papst Benedikt XVI. hat sich jedenfalls selbst aus gesundheitlichen Gründen faktisch abgesetzt. Für die Absetzung des Präsidenten der Vereinigten Staaten gelten keine höheren Weihen, für seine Absetzung würde ein ärztliches Attest genügen. Seine völlige Unberechenbarkeit hat er mehrmals zur Schau gestellt und in die Welt gezwitschert. In Zeiten einer atomaren Bedrohung durch Nordkorea löst sein Verhalten nicht nur bei seinen Gegnern, sondern auch bei seinen Parteifreunden Fracksausen aus. Das alles ist Wasser auf die Mühlen des Impeachments. Wir werden sehen, ob es Tropfen auf den heißen Stein bleiben.
Damit nicht genug, am 21.8.2017 gab es eine vielbestaunte, dennoch unheimliche totale Sonnenfinsternis. Unter all diesen Umständen ist für viele einmal mehr das Ende der Welt angebrochen. Die Apokalypse steht vor der Tür, die Pferde der vier Reiter scharren in den Startlöchern. Alle warten gespannt, wann der nächste Engel ins Horn bläst. Die ersten Male Tuten haben einige schon deutlich gehört. Für die Angst vor der Endzeit brauchen wir uns nicht zu genieren, erklären uns aufgeklärte Medien (u.a.: Washington Post), die Ereignisse als Zeichen zu interpretieren und sie in einen Zusammenhang zu setzen, das entspreche ganz der menschlichen Natur. Anders gesagt, unser Verstand sucht nach Zusammenhängen und Erklärungen von heftigen Reizen. Aber, so heißt es weiter, Wissenschaftler sagen uns, dass die Welt so nicht funktioniert. Welche Wissenschaftler, oder auf welche Weise die Welt wirklich funktioniert, das erfahre ich in solchen Erklärungen nie. Und das macht mich unfroh. Ich soll einfach glauben, dass „die Wissenschaft“ die Welt anders erklärt. – Kurzer Zwischenstopp! ICH weiß, dass die Wissenschaft durchaus in der Lage ist, jedes einzelne der Phänomene zu erklären. Nur, ich habe mich zeitlebens informiert, es nachgelesen. Ich versuche hier wiederzugeben, was ich der öffentlichen Diskussion entnehme. – Ich bleibe mit dem diffusen Unglück zurück, dass die Autoren oder Moderatoren selbst nicht genau wissen, was diese ominöse Wissenschaft zu sagen hat. Ich soll ihr aber alles glauben. Und jetzt wird es hinterfotzig und gruselig: Die Vertreter der wissenschaftlichen Erklärung bleiben diffus, diejenigen, die an die Offenbarung der Endzeit glauben, werden verdammt konkret. Sie geben ihre Argumente klipp, klar und nachvollziehbar wider: Die totale Sonnenfinsternis fand am 21. August statt, Harvey traf das Festland von Texas am 25., und am 26. folgten die Erdbeben in Guatemala und in Italien. Das ergibt: 21-25-26. Eine völlig zufällige Zahlenreihe. Füge ich diese Zahlen allerdings in ein Glaubenssystem ein, dann schlägt es 13. Die Wiederkunft des Herrn steht bevor:
And there shall be signs in the sun, and in the moon, and in the stars; and upon the earth distress of nations, with perplexity; the sea and the waves roaring; Men's hearts failing them for fear, and for looking after those things which are coming on the earth: for the powers of heaven shall be shaken.
Lk 21, 25-26; King James Version
„Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“
Lk 21, 25-26; Lutherbibel 1984
Erstaunlich, nicht wahr? Hier sind sie alle miteinander schwarz auf weiß: die Sonnenfinsternis, die Stürme, die Tsunamis, die Erdbeben und ein Führer in schwierigen Zeiten, der einen die Gänsehäute rauf und runter jagt. Ich habe nichts anderes in sechs Büchern getan als aus willkürlichen Zahlen und unzusammenhängenden Fakten nachvollziehbare Verstrickungen gebaut. Aber warum zum Teufel sollte es Gott, der Allmächtige, tun? Warum sollte er, der da herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit, sich an den modernen Kalender US-amerikanischer Zeit halten? An die Textauswahl von Nicea, an die reformierte Zählung der Kapitel und Verse oder an den Kanon der King James Version der Bibel? Die reformierte Bibel besteht aus 66 Büchern, 1189 Kapiteln und 31.171 Versen. Es ist unfassbar viel Hirnschmalz und Arbeit notwendig, aus drei zufälligen Zahlen ein solch treffendes Ergebnis zu erzielen. Und ein fester Glaube. Im Grunde muss ich schon vorher wissen, dass diese spezifische Versfolge Jesu Prophezeiung über die Wiederkunft des Menschensohns ist, sonst komme ich nie darauf. Der Teufel sitzt im Detail, bin ich versucht, zu sagen, denn just an den richtigen Monatstagen treffen genau die Ereignisse zusammen, die überall und jederzeit als Zeichen einer Endzeit gedeutet wurden. Und seien wir uns ehrlich, treten alle Phänomene zusammen auf, die uns heute noch solche Angst machen, sind in der Geschichte tatsächlich Hochkulturen und ganze Zeitalter zu Ende gegangen. Die Autoren der Bibel wussten aus der Geschichte, was alles auf einmal zu geschehen hat, dass sogar große Reiche den Bach hinuntergingen. Zuletzt in ihrem Erfahrungshorizont, am Ende der Bronzezeit. Hier kann mir die Wissenschaft, Historie und Exegese, klar erklären, warum welche Mittel in prophetischen Texten angewendet worden sind. Alles andere ist möglich, weil es möglich ist. Und es wirkt, wenn ich es glaube. Der kürzeste Vers der Bibel ist übrigens Joh 11, 35: „Und Jesus gingen die Augen über.“ Ich kann es ihm nachvollziehen.
Es ist wieder einmal der Glaube, der Berge versetzt. Die Autoren der prophetischen Texte haben so fundierte Beglaubigungsfunktionen in ihren Schriften eingesetzt, dass Menschen heute noch blass werden beim Lesen. Dagegen sehen die Argumente jener, die wollen, dass wir der Wissenschaft glauben und vertrauen hierzulande ziemlich mau aus. Weil im Grunde niemand weiß, wer oder was diese Wissenschaft eigentlich ist, man ihr aber voll und ganz vertrauen muss. Das treibt seltsame Früchte. Wer nämlich denkt, dass Harvey und Irma ein Umdenken bei den Trump-Wählern eingeleitet hätten, der irrt gewaltig. Insbesondere Irma ist der größte jemals aufgezeichnete Sturm, sie hat alle Rekorde gebrochen. Aber sie hat sich wieder „auf Normalgröße“ aufgelöst. Und weil es vor 12 Jahren schon einen Sturm ähnlichen Ausmaßes gegeben hat, kann man darin eine natürliche Entwicklung erkennen. Aber naturgemäß nur, wenn man mit vollem Herzen nicht an den menschenverursachten Klimawandel glaubt. Der habe mit den Katastrophen und Phänomenen nämlich deshalb nichts zu tun, weil sie alle von der Wissenschaft erklärt werden können! – WHAT? – Diese Leute glauben nicht an den menschenverursachten Klimawandel, weil die Wetterphänomene wissenschaftlich erklärt werden können! In ihrem Verständnis wäre der Klimawandel nur dann real, wenn die Ereignisse, die ihre Existenzen zerstört haben, nicht von Wissenschaftlern erklärt werden könnten. Dass es die Wissenschaft ist, die seit Jahren vor genau den Dingen warnt, die jetzt geschehen, das haben sie nicht auf dem Schirm.
Warum ist das so? Weil diese Menschen es in Diskussionen nur mit polemischen Klugscheißern zu tun bekommen, denen eines abgeht, was die Autoren und Übersetzer der Bibel hatten: den Zugang zu den Menschen. Sie haben den Leuten aufs Maul geschaut, ihnen vom Herzen geredet und fundierte Beglaubigungsfunktionen benutzt. Klar ist das auch Populismus. Aber wir leben in einer Demokratie. Klar, ich kann lachen und sagen: „Betet nicht, wählt lieber eine Regierung, die an die Wissenschaft glaubt!“ Aber damit gewinne ich bei der nächsten Wahl wieder keinen Blumentopf. Tretet mit Respekt vor diese Leute hin, sprecht ihre Sprache, benutzt ihre Bilder und erklärt ihnen, wer und was Wissenschaft ist. Gedemütigt und ausgelacht werden sie ohnedies jeden Tag in ihren Leben.
Wieviel Wertschätzung für die Gefühle, den Verstand und die Bedürfnisse der Wähler in der Politik herrscht an einem Beispiel aus dem österreichischen Wahlkampf: „Ein Elektriker muss zehn Stunden arbeiten, dass er sich eine Stunde Arbeit eines Mechanikers leisten kann!“ Skandalös, sage ich. Der Skandal ist aber ein anderer als erwartet. Dem Politiker wurde so oder so für diesen Satz applaudiert. Aber was hat er gesagt, wovon ist er ausgegangen? Dass das Wichtigste im Leben eines arbeitenden Menschen das Auto ist. Das formuliere ich so, er hat mit Sicherheit einen Mann angesprochen. Weil in seinem Gesellschaftmodell der Mann das Geld verdient und die Steuern zahlt. Die Frau bleibt daheim, oder arbeitet halbtags und unterbezahlt. Die heilige Kuh, das Automobil, ist der Maßstab, der an die Welt angelegt wird. Der Wagen bestimmt den sozialen Status. Und der bemisst sich wiederum am Einkommen. Und dieses wird besteuert. Logischer Schluss: Je weniger Steuern der Mann bezahlt, umso mehr kann er in sein Auto investieren. Sein Ansehen steigt, er fühlt sich besser, er wird den Politiker wählen. Am Ende zahlt er wirklich weniger Steuern auf sein Einkommen, fährt sogar ein besseres Auto. Aber plötzlich ist kein Geld mehr da für das, wofür er wirklich neun von den zehn Stunden gearbeitet hat und wofür er unser aller Respekt verdient: Krankenversorgung, Sozialversicherung, Schulen, und die Infrastruktur. Also auch kein Geld für die Straßen, auf denen er mit seinem Auto herumfährt. Möchte jemand einen maroden Highway adoptieren? Hier in Connecticut sind ein paar zu haben! Wenn mein ganzes Leben um das Auto kreist, es sogar die hohe Politik von mir möchte, dann lasse ich mir von einem diffusen Gespenst ohne Gesicht namens Wissenschaft nicht einreden, dass ich nicht mit dem Auto herumfahren darf, weil das irgendwie das Klima beeinflusst. Blöderweise fehlt jetzt nämlich auch das Geld für die Lehrer und Professorinnen, die in Schulen und auf Universitäten erklären könnten, wie sich das zueinander verhält. Und dann bauen sich Rednecks und Hillbillys ihre Trucks so um, dass sie noch mehr schwarzen Dieselrauch in die Atmosphäre blasen. Aus Protest gegen die Lügenpresse, Fakenews und protestierende Ökos, Bürgerrechtler und Feministinnen. Diesen Leuten hat man bereits glaubhaft gemacht, dass Health Care kein Recht ist. Krankenversorgung ist etwas, wofür man selbst zu sorgen hat. Nur zahlt man hier keinen Selbstbehalt, hier bekommt man eine Rechnung. Die muss bezahlt werden. Mit Glück zahlen die Krankenversicherungen einen Teilbetrag zurück. Meistens tun sie es nicht. Und weil kein Staat einspringt, kostet z.B. eine kleine Tube Medizin, 50mg Salbe, über 500 US-Dollar. From there the sky is the limit. Ein Krankenhausaufenthalt mit Untersuchung und Behandlungen geht in die zehntausende. Viel Glück mit dem eigenen Ersparten. Ist das aus, ist auch die medizinische Versorgung vorbei. Aber wir hatten den SUV unserer Träume in der Garage. Lasset uns beten!

Fortsetzung folgt…

Freitag, 15. September 2017

Ein Ösi in Connecticut (Teil 14)



Teil 14: Beim Vogerldoktor


Keine Killerbiene, eine nette...
Über Nacht hat sich in unserem Umfeld alles verändert. New Haven ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, die Wohncolleges von Yale haben sich gefüllt, die Studenten sind zurück. Wo noch vor ein paar Tagen friedliches Vor-sich-hin-Dämmern auf leeren Gehsteigen geherrscht hat, wuselt heute geschäftiges Treiben. Weicht man einer diskutierenden Gruppe Studentinnen aus, rennt einen der nächste Jogger um. Triefnass, obenrum nackt und untenrum im knappen Höschen, versteht sich. Der herrliche Sonnenschein kann nicht darüber hinwegtäuschen, der Herbst ist da. Die ersten Blätter verfärben sich. Ich freue mich auf den Indian Summer. Dass der Herbst endlich gekommen ist, beweisen zwei Umstände. Erstens, dass das Semester begonnen hat, und zweitens dass in den Grünhäusern des Botanischen Gartens abends das Licht wieder brennt. Unsere wuscheligen Freunde, die silbergrauen Squirrels, waren kurz verschwunden, jetzt sind sie wieder da und stopfen sich mit den reifen Eicheln ringsum die Backen voll. Ich nehme an, sie sind bis jetzt hitzegelähmt in kühlen Baumhöhlen abgehangen, oder haben anderswo reife Früchte geerntet, um winterfit bzw. winterfett zu werden. Um die Blüten summen und brummen die Bienen. Habe ich mich bisher immer vor den großen und fetten schwarzen gegruselt, weiß ich jetzt, dass es die kleinen orangenen sind, vor denen ich mich in Acht nehmen muss. Schwärmend und in großer Zahl sind sie nämlich die berühmten afrikanisierten amerikanischen Honigbienen. Die dicken schwarzen Bienen sind total relaxed und gutmütig. Unsere anderen tierischen Nachbarn sind dafür miesgelaunt wie eh und je. Die Murmeltiere geben inzwischen wirklich jede Nacht lauthals kund, dass sie an Gemeinschaftsleben kein wie auch immer geartetes Interesse haben.
Beim Blick aus den hinteren Fenstern unserer Wohnung gebe ich den Woodchucks Recht. Die Parksituation auf unserem Hinterhof hat sich bis jetzt nicht geregelt. Eigentlich könnte es mir völlig egal sein. Wir haben auf unsere Garage zugunsten des netten jungen Mannes aus Tennessee im Apartment ober uns verzichtet. Aber steht sein Auto in „unserer“ Garage? Natürlich nicht. Da steht mein Freund, der schwarze Lexus. Unternimmt unser Nachmieter deswegen irgendetwas? Nein! Er parkt brav daneben. Neben seiner Garage. Unter freiem Himmel. Und wird es ihm gedankt werden? Nun ganz gewiss nicht. Und um das Tollhaus komplett zu machen, ist er nicht der Einzige, der um seinen Stellplatz quasi betrogen wird. Der Grund? Unsere Nachbarn gehen die Sache mit dem Parken ganz locker an. Wie alles andere auch, was sie nicht unmittelbar selbst einschränkt. Jeder Mieter in den beiden Nachbarhäusern hat das Recht auf zwei Parkplätze, und jede und jeder hat ein Auto. Wir leben in den USA. Und weil sie alle so cool sind, darf sich ein jeder Hinstellen, wo sie oder er mag. Und funktioniert das? Natürlich nicht die Bohne. In die wohligsten und molligsten Einschlafmomente plärren liebliche nächtliche Hupkonzerte und Stimmengezänk. Ist ja auch blöd, wenn einem der Toyota des Nachbarn das Hardtop, also die Abdeckung, vom eigenen Pickup zuparkt. Und da regen sie sich in mir die Waldviertler Gene. Ich verspüre das ungemütliche Bedürfnis, mein Wegerecht und den Grundbesitz zu verteidigen, die Flinte mit Salz und Sauborsten zu laden und mich auf die Lauer zu legen. Wenn die geschätzten Nachbarn es nicht hinkriegen, ihre Parkplätze zu organisieren, okay. Aber bleibt gefälligst auf eurem eigenen Land! Das schrecklichste Verbrechen im Waldviertel war (und ist) das Verrücken von Grenzsteinen. Wer sich das traut, dessen arme Seele ist dazu verdammt, auf ewig jammernd und klagend mit dem Grenzstein um den Hals über die Felder zu wandern. Steht in jedem Sagenbuch. Und ich finde das RICHTIG! Weil mich der Saustall auf dem Hinterhof in den Wahnsinn treibt. Ich will einen Zaun, oder noch besser eine ordentliche Mauer rundherum. Und aus!
Dass das irgendwie meschugge ist, ist mir natürlich auch klar geworden. Mit ein bisschen zarter Hinführung durch meine Angetraute. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mehr und mehr US-amerikanische Angewohnheiten übernehme und verinnerliche. Man hat es mir ja im Studium warnend prophezeit: Es gibt die zweite Sozialisation! Ich trinke inzwischen literweise Root Beer. Was in meiner lieben Frau den Verdacht weckt, ich könnte eine Überdosis davon bekommen, oder nachts zu leuchten beginnen. Und ich genieße Cream Soda, und bechere Von Trapp-Bier, according to Viennese tradition naturgemäß. Und das Gebräu aus dem Haus der Von Trapp Family schmeckt tatsächlich wie das Ottakringer Original. Vieles an der Ostküste ist Wienerischer als es das Zuhause überhaupt noch ist. Und wie jeder gute Ostküstenamerikaner mache ich jetzt auch eine Gesprächstherapie. Und nichts in New Haven ist Wienerischer als das kleine schmucke Haus im Kolonialstil mit Veranda und Garten, in dem die Psychoanalyse ihre Residenz hat. In diesen ehrwürdigen Hallen lebt der Spirit aus der Berggasse weiter. Ich glaubte mich im Freud-Museum. Und hier erinnert man sich noch an den einst berühmten Austrian Edge, an den altösterreichischen Schneid, mit dem man sich besser nicht anlegt. #Hinterhof
Park Street in New Haven, CT
Anfangs eher skeptisch, muss ich zugeben, dass es gut tut, mit jemanden zu sprechen, mit dem ich nicht emotional oder verwandtschaftlich verbunden bin. Es ist die Distanz, die mich dem Kern der Sache näher bringt. Ich rede mit meiner Therapeutin Englisch, um auch wirklich zu sagen, was ich meine. Würde ich Deutsch reden, käme ich garantiert ins Plaudern. Und ich will weder mich noch sie unterhalten. Hatte ich zunächst keine Vorstellung, was ich in 50 Minuten alles erzählen sollte, verging mir die Zeit dann doch wie im Flug. Ich weiß, dass in Europa der Besuch einer solchen Institution noch immer mit einem gewissen Seitenblick betrachtet wird. Völlig unnötiger Weise. Für mich wurde dieser Schritt notwendig. Innerhalb der letzten Jahre hat sich mein Körper vollständig verändert. Ich war zwar niemals leichtfüßig wie eine Elfe oder flink und geschmeidig wie ein Otter, aber jetzt bin ich behindert. Das ist schon einmal ein ziemlicher Brocken. Ich wurde in der Vergangenheit mit Prognosen konfrontiert, die ziemlich barsch waren. Zum Beispiel hatte ich einen Fleck auf der Lunge, von dem meine Ärzte sich nicht sicher gewesen sind, ob es die Sklerodermie, ein Karzinom oder Tuberkulose war. Die Situation, sich zu wünschen, dass es bitte Tuberkulose sein sollte, war ziemlich anspruchsvoll. Ich bin derjenige, den man wirklich coloured nennen sollte, ich bin weiß, schwarz, braun, purpurn und pink gescheckt. Schmerzfrei bin ich eigentlich nie. Der Umstand, dass ein ehemaliger Freund, Partner und Kollege, eine Schmutzkübelkampagne gegen mich geführt hat, und viele Leute Dinge über mich reden und zu wissen glauben, ohne mich jemals um meine Sicht und den Wahrheitsgehalt zu fragen, hat mir auch nicht wirklich geholfen. Ich habe davon aber erst fast zwei Jahre nach meiner Diagnose erfahren. Mir blieb bis dahin bloß, mich zu wundern, warum so eigenartige Dinge um mich herum stattfanden. Ich war, so kann man sagen, wie der Calafati auf dem Praterringelspiel. Last but not least bin ich kein besonders glücklicher Jugendlicher gewesen, weshalb ich etwas verhaltensoriginell war und gelegentlich noch bin. Kurzum: Ich kann jeder und jedem, dem ganz ähnliche Sachen widerfahren, nur raten: Traut euch, redet mit einem Vogerldoktor!
Alle Tassen im Schrank stehen hat schon das neue College im Tudorstil. Inzwischen ist es bezogen, die Türme und Fenster nachts beleuchtet. Und mit den Studenten und Fellows sind auch die chinesischen Großeltern nach New Haven gekommen. Und Juliane und ich hegen den Verdacht, dass sie nicht bloß gekommen sind, ihre Kinder zu besuchen, sondern auch darauf zu achten, dass die Erziehung ihrer Enkel chinesisch bleibt. Ich bin mir dabei nicht so sicher, welches von beiden möglichen Resultaten mich mehr irritiert: Das verwestlichte kleine Wunder, dass nicht einmal mehr hinterher schaut, wenn ihr oder ihm im Bus etwas zu Boden fällt, oder die jungen Mädchen, die im Wettstreit zu stehen scheinen, welche von ihnen ihren Kopf tiefer zwischen den gesenkten Schultern tragen kann. Beides gruselt mich. Und ich gestehe, dass ich jetzt erstmals an meine Grenzen stoße. Weshalb ich auch froh bin, jemanden zum Reden zu haben, mit der ich weder verheiratet, noch befreundet bin.
Ye Olde Yale... Wo alles begann.
Ich bin mit Juliane auf eine Abendveranstaltung gegangen. Mein Plan war es gewesen, einen Kontakt herzustellen. Ich habe es total verkackt. Anders kann man es nicht ausdrücken. Thema des Abends war das Aufrechterhalten und Führen eines kreativen Lebens. Anders gesagt: Wie verdient man als Freischaffender genug Geld, um nicht zu verhungern. Für mich ja kein uninteressantes Thema. Das Podiumsgespräch begann mit einer Vorstellung der Teilnehmerinnen durch die Moderatorin und Herausgeberin. Sie hat wortreich und begeistert über ein Thema schwadroniert, dass ihr sehr am Herzen gelegen ist: Sie sprach über sich selbst. Das hat mich ungut an geteilte Veranstaltungen in meiner aktiven Zeit erinnert. Das alleine war schon mal kein guter Start. Es folgte eine zehnminütige Einführung darüber, wie speziell und privilegiert sie alle als Yale-Studentinnen und Absolventen wären. Dass sie die wenigen wären, die hier sein dürften, während 80% der Bevölkerung sie darum beneiden und hassen würden. Nun, dachte ich, zu Recht. Etwas später erhob sich ein US-asiatisches Küken, das nach eigenen Worten kurz vor dem Abschluss stand, aber in meinen Augen schon oft das Zwölfeläuten gehört hatte, dass sie es als Yale-Studentin nicht gewohnt wäre, jemals ein „Nein“ zu hören. Sie wollte von den Vortragenden wissen, wie sie sich darauf vorbereiten könnte, es – das „Nein“ – in „der richtigen Welt“ zu hören. Sorry, das wurde mir zu viel. Und die kleine Stimme in meinem Kopf – die mit der Flinte und den Sauborstenpatronen –, sagte: „Nein, du kannst hier nicht parken! Das ist verdammt nochmal meine Garage!“ Weder Juliane noch ich gehören zu den Privilegierten. Juliane ist in Yale, weil sie hart dafür gearbeitet hat. Wir beide haben während unseres Studiums gearbeitet und eigenes Geld verdient. Ich habe niemals eine staatliche Unterstützung erhalten, weder als Student, noch als Autor. Und weil ich niemanden hatte, der sich diesbezüglich für mich eingesetzt hat, waren auch wirklich genug Scheißjobs dabei. Ich denke an Hilfsarbeiter auf einer Ausgrabung, Museumsaufsicht und Garderobendienst bei Abendveranstaltungen. Die reale Welt war mir schon in jungem Alter bestens bekannt. Darum bin ich auch nicht locker genug für eine Welt ohne Waschküchenplan oder Parkordnung. Nun ja, und mit dieser Stimmung im Bauch zwanglos Smalltalk zu beginnen, das konnte ja nur schiefgehen. Wie dem auch sei. Schwamm drüber! Beim nächsten Mal klappt es bestimmt wieder besser.

Fortsetzung folgt…

Fall is here. Der Herbst ist da.